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Der Mensch kann denken und handeln

Empirische Messungen belegen, dass jeder bewussten Handlung eines Menschen Hirnaktivitäten vorausgehen, in denen die Handlung bereits festgelegt ist. Paul Kirchhof erläutert: „Das Gehirn leite die Willenshandlungen ein, bevor dem Menschen die Handlungsabsicht bewusst werde. Der Mensch steuere seine Handlungen nicht bewusst, ihm würde nur eine unbewusst eingeleitete Entscheidung bewusst werden.“ Er handle ähnlich wie bei einem „epileptischen Anfall“, der nicht als Handlung aus freiem Willen gelte. Der Mensch habe allenfalls die Möglichkeit, seine Vorherbestimmtheit im Nachhinein ähnlich einem Veto-Recht zu kontrollieren. Diese Experimente veranlassen die Frage, ob die Handlungen des Geistes sich in einer Wirklichkeit ereignen, die physikalisch-biologisch messbar ist. Die universale und alltägliche Erfahrung, dass ein Mensch aus freier, unabhängiger Entscheidung handelt, ist ein gediegener empirischer Befund für Freiheit. Dr. jur. Paul Kirchhof ist Seniorprofessor distinctus für Staats- und Steuerrecht an der Universität Heidelberg.

Das Gedächtnis entsteht aus Erfahrung und Erziehung

Sie bietet eine Art Beweis des ersten Anscheins, dass bewusst mentale Prozesse bestimmte Gehirnprozesse kausal steuern können. Paul Kirchhof stellt fest: „Die Annahme, die Gesetzmäßigkeiten der physikalisch beobachtbaren Natur könnten subjektiv bewusstes Denken und Wollen erklären, ist also ein spekulativer Glaube und keine wissenschaftlich bewiesene Aussage.“ Der Mensch kann denken, wollen und handeln. Diese Fähigkeiten erlebt er täglich als Möglichkeit, selbstbestimmt zu entscheiden, nicht als Ablauf von Gehirnprozessen.

Er hat das erfahrungsgestützte Bewusstsein, mehr zu sein, als sich mit biologischen Kausalitäten begreifen lässt. Wenn er ruhig in seinem Sessel sitzt und über sich und die Welt sinniert, also denkt, ohne dass sein Denken zu einer empirisch nachvollziehbaren Handlung führt, entsteht mehr als nur ein Gehirnprozess, etwas Neues – ein Gedanke. Der Mensch bildet sein Gedächtnis durch Erfahrung und Erziehung, begreift die Welt in seiner Sprache, lernt und studiert, um einen eigenen Wissens- und Maßstabsspeicher aufzubauen.

Der Mensch ist frei

Paul Kirchhof betont: „Dieser Speicher ist Ausdruck betätigter Freiheit, nicht biologische Vorbestimmung. Der Mensch sieht die Wirklichkeit in der Sicht seiner Begegnungen, Hoffnungen, Erwartungen und Bedürfnisse, ist in dieser Subjektivität selbstbestimmt, nicht fremdbestimmt.“ Folgt er natürlichen Empfindungen wie Hunger oder Kälte, wird er essen und sich kleiden, dabei aber entscheiden, was er isst und welches Kleidungsstück er wählt. Auch der Übergang von dem unbewussten zum bewussten Handeln ist der Übergang von vorbewusster Prägung zu bewusster Entscheidung.

Der Mensch lebt aus Erfahrungen und Einsichten seiner Herkunft, denkt gegenwärtig in der Gemeinschaft seiner Familie, seines Berufes, seines Staates, folgt seinen Bedürfnissen, aber auch seinen Planungen für die Zukunft, ist von Religion und Philosophie, von Recht und Lebensgewohnheiten, von Kunst und Hoffen geprägt. Paul Kirchhof weiß: „Diese Einflüsse lassen sich naturwissenschaftlich nicht definieren und nicht messen.“ Die These: „Keiner kann anders, als er ist“, ist richtig, führt aber zu der alltäglichen Erfahrung: Der Mensch ist frei. Quelle: „Beherzte Freiheit“ von Paul Kirchhof

Von Hans Klumbies

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